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Allgemein

Hüftimpingement – Eine natürliche Anpassung der Evolution?

 November 23, 2023

By  Thomas

Du hast ein Hüftimpingement und fragst dich woher dieses kommt. Früher hattest du schließlich keine Hüftbeschwerden und jetzt soll ein Knochenvorsprung plötzlich Symptome verursachen? Woher kommt plötzlich diese Knochenform? Hat diese Struktur vielleicht sogar Vorteile? Gibt es hier eventuell eine Antwort, wenn man weiter zurück blickt auf die evolutionäre Geschichte der Menschheit?

Was ist eine Cam-Morphologie (aus evolutionärer Sicht)?

Eine Cam-Struktur ist durch einen nicht-kugelförmigen Femurkopf definiert. Wir wissen aus aktueller Datenlage, dass die Cam-Knochenform vor allem bei Männern vorkommt (Verhältnis 14:1 männlich/weiblich) [1]. Zudem ist bekannt, dass diese sich während der Skelettreifung entwickelt [2]. Doch ist nicht ganz klar, warum sich eine Cam-Struktur ausbildet und welche Vorteile diese eventuell sogar besitzt.

Um dieser Frage nachzugehen, haben Wissenschaftler [3] weiter zurück in der Vergangenheit geblickt und die Hüften unserer biologischen Vorfahren begutachtet.

Es wurden die Knochen von verschiedenen Säugetieren in einem niederländischen und einem französischen Museum untersucht. Anschließend wurde versucht, eine Beziehung zwischen der Knochenform und anderen Parametern wie der gesamten Körperstruktur, der Fortbewegung und der Hüftfunktion herzustellen.

Ergebnisse

1

Die meisten Säugetiere haben eine Cam-Struktur

Nach ausgiebiger Untersuchung archaischer Knochenfunde, konnte festgestellt werden, dass die meisten Säugetiere einen asphärischen (nicht-kugelförmigen) Femurkopf besitzen. Doch warum ist das so?

2

Asphärischer Oberschenkelnochenkopf führt zu mehr Stabilität im Gelenk

Ein nicht-kugelförmiger Femurkopf hat den Vorteil, dass diese Struktur zu einer stabileren Hüfte beiträgt, da es die Mobilität des Gelenks in überflüssigen Rotationsbewegungen beschränkt. Der Stabilitätsgewinn bei gleichzeitigem Verlust an Mobilität macht bei jenen Tieren Sinn, welche davon am meisten profitieren. So konnte bei Tieren, welche auf offenen Feldern leben (z.B. Gazellen) ein nicht-kugelförmiger Femurkopf gefunden werden [4]. Die Funde ergeben durchaus Sinn, da auf offenen Feldern wenig Mobilität in der Hüfte benötigt wird. Jedoch kann hier von einer stabilen Hüfte und dadurch von einer effizienten Kraftübertragung profitiert werden.

3

Kugelförmige Knochenstruktur führt zu weniger Stabilität und mehr Mobilität

Anders sieht es bei Tieren aus, welche im Wald leben (z.B. Buschböcke). Hier konnte eine kugelförmige Knochenstruktur gefunden werden. Diese ermöglicht eine gute Manövrierfähigkeit im uneben gelegenen Habitat des Waldes.

4

Knochenform abhängig von Habitat und Fortbewegung

Die Wissenschaftler konnten also die Schlussfolgerung ziehen, dass die Form der Knochen vom Lebensraum des Tieres und der daraus resultierenden Fortbewegungsart abhängt.

5

Entwicklung der Hüfte von kugelförmig zu nicht-kugelförmig

Die Form des Oberschenkelkopfes von einer kugelförmigen Hüfte zu einer weniger kugelförmigen und kräftigeren Hüfte begann sich zu entwickeln, als sich Hominiden zu zweibeinigen „laufenden“ Affen entwickelten, die in einem offeneren Lebensraum lebten. Auch diese Entwicklung macht Sinn, da durch den aufrechten Gang des Menschen der Hüfte mehr Stabilität abverlangt wird und diese von mehr Asphärizität profitiert.

6

Wenn der durch eine Cam-Form begrenzte Rotationsbereich gewaltsam überschritten wird, kann es zu einem Impingement-Syndrom kommen.

Die Mobilität bei einer vorherrschenden Cam-Struktur ist begrenzt. Endgradige Bewegungen sollten daher gemieden werden, um ein Impingement-Syndrom zu vermeiden.

Wie und warum ist die Pincer-Form entstanden?

Eine Pincer-Struktur kommt vor allem bei Frauen sehr häufig vor (Verhältnis 3:1 weiblich/männlich)[5]. Sie ist durch eine verstärkte Überdachung des Oberschenkelknochens durch die Hüftpfanne gekennzeichnet. Auch zur Pincer-Struktur konnten Wissenschaftler folgende Schlüsse ziehen [3].

Ergebnisse

1

Pincer-Mophologie lässt sich aus kombinierten Anforderungen an die Geburts- und Gangmechanik im weiblichen Becken erklären

Die Masse des menschlichen Gehirns hat sich im Laufe der Evolution verdreifacht. Dies erforderte einen größeren Geburtskanal und damit ein deutlich breiteres Becken. Durch die zunehmende Beckenbreite ist aufgrund des größeren Hebelarms die nötige Abduktionskraft, welche zur Stabilisierung des Beckens benötigt wird, gestiegen. Um sich dieser Kraft biomechanisch anzupassen, hat sich eine tiefe Ausprägung (coxa profunda) entwickelt. Eine tiefe Hüftpfanne führt gleichzeitig zu einer stärkeren Überdachung des Oberschenkelknochens und damit zu einer Pincer-Struktur.

coxa profunda

2

Tiefe Hüftpfanne erfordert runden Femurkopf

Aufgrund der verstärkten Überdachung des Oberschenkelknochens ist eine zusätzlich vermehrte Verknöcherung des Oberschenkelknochenkopfes unwahrscheinlich, da dies reziprok noch weniger Mobilität zur Folge hätte. Daher tendieren weibliche Hüften stärker zu einem Pincer-Typ als zu einer Cam-Morphologie.

Fazit

Wie wir aus den oben erwähnten Erkenntnissen gesehen haben, scheint es, als würde sich die Knochenform von Organismen an die natürlichen Gegebenheiten anpassen. Läufer und Springer profitieren eher von einer effizienten Kraftübertragung. Hier ist also häufig eine stabile Hüfte mit nicht-kugelförmigen Oberschenkelknochenkopf vorzufinden. Bei Kletterern und Schwimmern wird eher eine mobile Hüfte benötigt. Dies wird durch einen kugelförmigen Femurkopf gewährleistet.

Die Ergebnisse der Studie bestätigen, dass es sich bei den Cam- und Pincer-Morphologien um natürliche Variationen des menschlichen Körpers handelt, welcher sich bestmöglich an die Umwelt anpasst. Da diese Knochenstrukturen sehr häufig in asymptomatischer Bevölkerung vorkommen, ist es fraglich, ob diese Befunde als patholgogisch einzustufen sind. Zudem müssen neben dem bildgebenden Befunden auch klinische Zeichen und Symptome vorhanden sein, um die Kriterien eines femoroacetabulären Impingement Syndroms zu erfüllen. Die Impingement Knochenstrukturen erfüllen letztlich auch einen Zweck. Sie gewährleisten ein stabileres Hüftgelenk.

Jedoch sollte im Hinterkopf behalten werden, dass die typischen Impingement-Morphologien die Mobilität der Hüfte limitieren können. Es sollte daher auf endgradige Bewegungen verzichtet werden, falls diese einen Impingement-Syndrom provozieren.

Dieses wissen sollte in keinem intelligenten Rehabilitationskonzept fehlen.

Literatur

[1] TANNAST M.; SIEBENROCK K.A.; ANDERSON S.E.; 2007: Femoroacetabular Impingement: Radiographic Diagnosis—What the Radiologist Should Know; American Journal of Roentgenology; Volume 188, Issue 6; June 2007

[2] Pettit M, Doran C, Singh Y, Saito M, Sunil Kumar KH, Khanduja V. How does the cam morphology develop in athletes? A systematic review and meta-analysis. Osteoarthritis Cartilage. 2021 Aug;29(8):1117-1129. doi: 10.1016/j.joca.2021.02.572. Epub 2021 May 11. PMID: 33989785.

[3] Hogervorst T, Bouma H, de Boer SF, de Vos J. Human hip impingement morphology. J Bone Joint Surg Br. 2011;93-B(6):769-776. doi:10.1302/0301-620X.93B6.25149

[4] Kappelman, J. (1988), Morphology and locomotor adaptations of the bovid femur in relation to habitat. J. Morphol., 198: 119-130.

[5] Frank JM, Harris JD, Erickson BJ, Slikker W 3rd, Bush-Joseph CA, Salata MJ, Nho SJ. Prevalence of Femoroacetabular Impingement Imaging Findings in Asymptomatic Volunteers: A Systematic Review. Arthroscopy. 2015 Jun;31(6):1199-204. doi: 10.1016/j.arthro.2014.11.042. Epub 2015 Jan 28. PMID: 25636988.

Thomas Worring


Thomas Worring hat selbst jahrelang unter einem Hüftimpingement gelitten. Er hat aus seiner seiner schmerzhaften Erfahrung viel gelernt und einen Weg gefunden, sein Impingement ohne eine Operation auszukurieren. Heute hilft er anderen dabei, eine bewegliche, schmerzfreie Hüfte zurückzugewinnen.

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